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Policy Paper zu Geflüchteten: Gemeinschaftsunterkünfte verstoßen gegen Menschenrechte

Nummer 087/2023 vom 17. Juli 2023
Geflüchtete in großen Gemeinschaftsunterkünften unterzubringen, missachtet ihre Menschenrechte und verhindert gleichzeitig ein effektives Migrationsmanagement. Zu diesem Schluss kommen Migrationsforscher der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) in einem neuen Policy Paper in der "Zeitschrift für Ausländerrecht". Darin beschreiben sie, wie die aktuelle Praxis zu psychischen und sozialen Problemen bei den Bewohnerinnen und Bewohnern beitragen kann und gleichzeitig eine bessere Integration verhindert. Die Forscher fordern eine umfassende Reform des Asylsystems und geben hierfür konkrete Handlungsempfehlungen ab.

Kommen Geflüchtete in Deutschland an, werden sie auf die Kommunen verteilt. Diese sind dafür verantwortlich, Unterkünfte zu organisieren. "Teilweise werden hierfür sehr große Gemeinschaftsunterkünfte aufgebaut, die sehr problematisch sind: Auf kleinstem Raum werden zahlreiche, teils traumatisierte Menschen untergebracht. Dort mangelt es ihnen an Privatsphäre und auch an ausreichend Schutz vor den Übergriffen anderer", sagt der Jurist Prof. Dr. Winfried Kluth, der die Forschungsstelle Migrationsrecht an der MLU leitet. Damit verstoßen Kommunen laut Kluth gegen grundlegende Menschenrechte und internationale Diskriminierungs- und Missbrauchsverbote. "Gemeinschaftsunterkünfte sind vor allem dazu da, die Geflüchteten zu kontrollieren. Es gibt keinen anderen überzeugenden Grund, viele Menschen ungeachtet ihres Aufenthaltsstatus und ihrer individuellen Bedürfnisse auf engstem Raum unterzubringen", ergänzt Rechtswissenschaftler Jakob Junghans von der MLU. Erschwerend komme die Lage der Unterkünfte hinzu: Häufig würden diese weit entfernt von städtischen Zentren liegen. "Das trägt dazu bei, Geflüchtete räumlich wie sozial vom Rest der Gesellschaft auszuschließen", so Junghans weiter.

Die beiden Rechtswissenschaftler fordern eine umfassende Reform des Asylsystems: Anstelle großer Gemeinschaftsunterkünfte sollten dezentrale, sichere Unterkünfte möglichst über alle Wohngebiete der Städte und Kommunen verteilt eingerichtet werden - zum Beispiel als Wohngemeinschaften. "Außerdem wäre es sinnvoll, die Wohnpflicht in Aufnahmeeinrichtungen nach der Anfangsphase des Asylverfahrens aufzuheben", sagt Kluth. Die Forscher fordern zudem, Mindeststandards für die Unterbringung und den Schutz besonders gefährdeter Gruppen einzurichten und auch regelmäßig zu kontrollieren. Denkbar sei auch, sogenannte Querschnittsbehörden zu etablieren, die möglichst alle Themen für Geflüchtete unter einem Dach bündeln. "Ein gelungenes Vorbild ist der Burgenlandkreis in Sachsen-Anhalt, der eine solche Migrationsagentur eingerichtet hat", so Kluth abschließend.

Das Policy Paper basiert auf den Forschungsergebnissen von Kluth und Junghans, die diese im Rahmen des europäischen Forschungsprojekts "Vulnerabilities under the Global Protection Regime: How Does the Law Assess, Address, Shape and Produce the Vulnerabilities of the Protection Seekers?" gewonnen haben. Gefördert wurde es durch das EU-Programm "Horizon 2020" sowie vom kanadischen Forschungsrat.

Veröffentlichung: Kluth W., Junghans J. Die kommunale Unterbringung von Geflüchteten in Gemeinschaftsunterkünften missachtet ihre Rechte und verhindert ein effektives Migrationsmanagement. Zeitschrift für Ausländerrecht (2023). Link: https://beck-online.beck.de/Bcid/Y-300-Z-ZAR-B-2023-S-209-N-1

 

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