Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Barranca de Huentitan ist eine Schlucht, die durch den Rio Grande de Santiago in Mexiko geschaffen wurde. Hier finden sich verschiedene Vegetationsytpen: Tropischer Regenwald, Laub- und Auenwälder sowie Sekundärvegetation.
Foto: Emmanuel Oceguera Conchas
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Drei Viertel der Vegetationstypen in Amerika nicht ausreichend geschützt

Studie zeigt, welche Lebensräume für den Schutz bedrohter Arten am dringendsten geschützt werden müssen

Nummer 019/2024 vom 14. Februar 2024
Drei Viertel der verschiedenen Vegetationstypen in Nord-, Mittel- und Südamerika erfüllen nicht die Zielvorgabe der Globalen Biodiversitätskonvention, 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen unter Schutz zu stellen. Das hat eine Studie unter Leitung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung Halle-Jena-Leipzig (iDiv) und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) ergeben, die in "Global Ecology and Conservation" veröffentlicht wurde. Sie zeigt außerdem, dass über 40 Prozent der bedrohten Vogel- und Säugetierarten vor allem in einem einzigen Vegetationstyp vorkommen. Dadurch könnten sie vom Aussterben bedroht sein, wenn diese kritischen Lebensräume nicht ausreichend geschützt werden.

Der amerikanische Kontinent beherbergt einige der artenreichsten Regionen der Welt. Doch der Verlust von Lebensräumen stellt diese Regionen vor erhebliche Herausforderungen. Wenngleich bereits große Schutzgebiete existieren, bleiben viele kleinere, aber dennoch wichtige Lebensräume ungeschützt. Die spezifischen Bedürfnisse vieler Arten, insbesondere seltener, spezialisierter und bedrohter Arten, werden bei der Bewertung großräumiger Habitate oft übersehen, wodurch diese anfällig für einen Verlust oder die Verschlechterung ihrer Lebensräume sind. Detaillierte Bewertungen auf lokaler Ebene sind daher unerlässlich, um festzustellen, welche Lebensräume für Arten in der Region kritisch sind, und diese entsprechend zu schützen.

Ein Forschungsteam unter Leitung von iDiv und MLU hat daher eine umfassende Analyse von Lebensräumen in Nord-, Mittel- und Südamerika durchgeführt. In ihre Studie integrierten die Forschenden kleinräumige Karten, die auf der Internationalen Vegetationsklassifikation (IVC) basieren. Diese umfasst über 300 Vegetationstypen, die die spezifischen Pflanzengemeinschaften und lokalen Umweltbedingungen berücksichtigen. Darüber hinaus griff das Forschungsteam auf Verbreitungsdaten für über 6.000 Vogel- und Säugetierarten zurück. Auf dieser Basis entwickelte es einen Index, der die Verbreitung bedrohter oder in ihrem Lebensraum hoch spezialisierter Arten, das derzeitige Schutzniveau und voraussichtliche künftigen Bedrohungen berücksichtigt.

"Mit Hilfe der kleinräumigen Vegetationskarten konnten wir ermitteln, welche lokalen Vegetationstypen eine unverhältnismäßig hohe Anzahl spezialisierter Arten beherbergen", sagt Erstautorin Lea Schulte von der Leibniz Universität Hannover. "Dieser Detailgrad ist für eine effektive Naturschutzplanung entscheidend."

Die Forschenden fanden heraus, dass sich die Schutzniveaus der einzelnen Vegetationstypen teilweise erheblich unterscheiden, wobei fast drei Viertel der bewerteten Vegetationstypen derzeit nicht das Ziel der Globalen Biodiversitätskonvention erreichen, weltweit 30 Prozent der Land- und Meeresflächen unter Schutz zu stellen. Darüber hinaus lag bei 20 Prozent der bewerteten Vogel- und Säugetierarten mindestens die Hälfte ihres Lebensraumes innerhalb eines einzigen Vegetationstyps. Das betrifft auch mehr als 40 Prozent aller bedrohten Arten, was unterstreicht, wie wichtig gezielte Bemühungen um den Erhalt dieser Vegetationstypen sind.

"Unsere Studie zeigt, wie wertvoll die Bewertung kleinräumiger lokaler Lebensräume ist und welche Aspekte bei umfassenderen Klassifizierungen oft übersehen werden", erklärt Seniorautor Dr. Jose Valdez von iDiv und der MLU. "Indem wir die Vegetationstypen identifizieren, die für bedrohte und spezialisierte Arten lebenswichtig sind, können wir maßgeschneiderte Erhaltungsstrategien zum Schutz der biologischen Vielfalt umsetzen."

Solche wichtigen Lebensräume seien unter anderem die artenreichen Bergwälder der nördlichen Anden, das zentralamerikanische Hochland, der brasilianische Cerrado und die Mata Atlântica sowie die karibischen Inseln. Die Studie zeigt jedoch, dass diese kritischen Gebiete nach wie vor viel zu wenig geschützt und durch menschliche Aktivitäten stark bedroht sind.

Die Forschenden betonen, dass ein umfassender Ansatz erforderlich ist, um das globale Schutzziel von 30 Prozent zu erreichen. Dieser müsse die Vielfalt der Lebensräume einbeziehen und dürfe nicht allein flächenbezogene Ziele verfolgen. Wichtig seien zudem auch weiterhin Bemühungen um eine umfassende Dokumentation kritischer Vegetationstypen und der Verbreitung von Arten, die - unter Berücksichtigung sich abzeichnender Landnutzungskonflikte - eine genaue Schutzplanung ermögliche.

"Unsere Studie unterstreicht nicht nur, dass weitere Schutzmaßnahmen in Nord- und Südamerika dringend nötig sind, sondern sie liefert auch ein umfassendes Konzept, wie gefährdete Lebensräume auf der ganzen Welt identifiziert werden können", so Lea Schulte. "Indem wir auf einen flexiblen Rahmen zurückgreifen, können wir kritische Vegetationstypen effektiv identifizieren, die zum Erhalt der biologischen Vielfalt beitragen. So können wir Ressourcen effizient einsetzen und dem Schutz von Gebieten dort Priorität einräumen, wo er am dringendsten gebraucht wird."

Studie: Schulte L. et al. Identifying Critical Vegetation Types for Biodiversity Conservation in the Americas. Global Ecology and Conservation (2024). doi: 10.1016/j.gecco.2024.e02831

 

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