Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Der Stammbaum der Landpflanzen weist die Armleuchteralgen als nahe Verwandte aus. Diese teilen sich mit den Landpflanzen viele Eigenschaften, zum Beispiel eine spezielle Form der Zellteilung.
Foto: Melanie Barth / Rensing lab (https://plantco.de); Artwork von Debbie Maizels (http://www.scientific-art.com/)
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Neue Studie in "Cell": Gene zeigen, wie Pflanzen einst das Land eroberten

Nummer 091/2018 vom 13. Juli 2018
Die Erbanlagen von Armleuchteralgen enthalten zahlreiche evolutionäre Neuerungen, die es ihren Vorläufern ermöglichten, sich an Land auszubreiten. Insbesondere für die Bildung der Zellwand greift die Alge auf Erbanlagen zurück, wie sie auch bei Landpflanzen vorkommen. Das hat ein internationales Konsortium unter Leitung der Universität Marburg herausgefunden. Beteiligt waren auch die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und das Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie (IPB). Ihre Studie erscheint als Titelgeschichte in der aktuellen Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift "Cell".

Landpflanzen bilden eine außerordentlich vielfältige Gruppe von Lebewesen, die eine Fülle von Anpassungen an ganz unterschiedliche Lebensräume aufweisen - mächtige Baumriesen gehören ebenso dazu wie zarte Kräuter, Moose genauso wie Blütenpflanzen. "Die Landpflanzen teilen sich einen gemeinsamen Ahnen mit den Armleuchteralgen", erklärt Seniorautor Prof. Dr. Stefan Rensing, Professor für Zellbiologie der Pflanzen an der Philipps-Universität Marburg. Die beiden Linien trennten sich vor mehr als 500 Millionen Jahren. Armleuchteralgen, die im Süßwasser leben, besitzen eine komplexere Morphologie als andere verwandte Algenarten. Ihr Aussehen erinnert an mehrarmige Kerzenleuchter - davon leitet sich ihr deutscher Name ab.

Als die ersten Pflanzen an Land gingen, waren sie mit veränderten Umweltbedingungen konfrontiert. So mussten sich die Pioniere unter anderem gegen Austrocknung schützen. "Es gibt mehrere Algengruppen, die das Land besiedelt haben, aber nur eine davon hat sich zur Großgruppe der Landpflanzen weiterentwickelt", erläutert Rensing. Welche Anpassungen waren dafür erforderlich?

Um das herauszufinden, präsentiert die Forschergruppe um den Marburger Zellbiologen erstmals das Genom der Armleuchteralgenart Chara braunii, um es mit dem von Landpflanzen zu vergleichen. "Unsere vergleichende Analyse deckt Gene auf, die im gemeinsamen Vorfahren der Armleuchteralgen und Landpflanzen entstanden", führt der Studienleiter aus. Gene, die über Hunderte von Millionen von Jahren erhalten blieben. "Diese Gene stehen für evolutionäre Veränderungen, die mit der Entstehung einer vielfältigen morphologischen Komplexität einhergingen, wie wir sie von Landpflanzen kennen."

Eine der auffälligsten Neuerungen, die das Autorenteam in den Genen dieser Algen und Landpflanzen nachweist, betrifft die Zellteilung und den Aufbau der Zellwand - kein Wunder, wenn man an die Bedeutung denkt, die der Schutz vor Austrocknung für den Landgang hatte. "Ähnlich wie Landpflanzen führen die Armleuchteralgen eine Zellteilung durch, bei der spezielle Proteine eine Zellplatte zusammensetzen. Diese entwickelt sich anschließend zur neuen Querwand", schreiben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Die Arbeitsgruppe Pflanzenwissenschaftlers Prof. Dr. Marcel Quint von der MLU untersuchte im Rahmen der Studie, welche Hormonwege in der Alge bereits etabliert waren. "Hormone sind Signalstoffe in Pflanzen. Sie helfen dabei, Umwelteinflüsse zu verarbeiten und in Reaktionen im Pflanzeninneren umzuwandeln", sagt Quint. Sein Team analysierte speziell die Funktionsweise des Wachstumshormons Auxin in den Algen und überprüfte, inwieweit seine Funktionsweise der von Landpflanzen entspricht. Dabei zeigte sich, dass in der Armleuchteralge wohl nur rudimentäre Formen des Apparats vorhanden sind, der für die Erzeugung, den Transport und die Signalwege des Auxins zuständig ist. "Das zeigt sehr schön die evolutionäre Position von Chara braunii an der Schnittstelle von Wasser- zu Landpflanzen", so Quint weiter.

Die Daten der Forschergruppe Daten zeigen: Eine Reihe von Genen, die in der wissenschaftlichen Literatur bisher als Landpflanzen-typisch galten, finden sich schon bei den Armleuchteralgen. Daneben gibt es bei "Brauns Armleuchteralge" aber auch Neuerungen, die unabhängig von denen der Landpflanzen entstanden.

Neben den Arbeitsgruppen aus Marburg und Halle beteiligten sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus zahlreichen Ländern an den Forschungen, die der Veröffentlichung zugrunde liegt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, der Europäische Forschungsrat, die Leibniz-Gemeinschaft, die US-amerikanische National Science Foundation sowie Forschungsförderer aus Japan, Belgien und Dänemark unterstützten die Arbeiten finanziell.

Zur Publikation:
Tomoaki Nishiyama, Hidetoshi Sakayama & al.: The Chara genome: secondary complexity and implications for plant terrestrialization, Cell 2018, DOI: 10.1016/j.cell.2018.06.033

 

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