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Die Pflanzenzelle als Fertigungsstraße: Neues Graduiertenkolleg startet an der MLU

Nummer 117/2019 vom 17. Juli 2019
Zuwachs für die hallesche Pflanzenforschung: An der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) ist im Juli ein neues Graduiertenkolleg gestartet. Die Doktorandinnen und Doktoranden befassen sich mit der Frage, wie in Pflanzenzellen komplexe biochemische Prozesse in verschiedenen Zellräumen – sogenannten Kompartimenten – gesteuert werden. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Graduiertenkolleg GRK 2498 "Kommunikation und Dynamik pflanzlicher Zellkompartimente" mit rund vier Millionen Euro.

Die Jasmonsäure gehört zu den bekanntesten Pflanzenhormonen. Sie wird als Duftstoff zum Beispiel in der Kosmetikindustrie eingesetzt. "Eigentlich handelt es sich aber um ein pflanzliches Alarmhormon, das Pflanzen ausschütten, wenn sie verletzt werden", sagt Prof. Dr. Ingo Heilmann von der MLU, Sprecher des neuen GRK. Registriert eine Pflanze, dass sie von Raupen angegriffen wird, wird Jasmonsäure gebildet, die als Botenstoff verschiedene Schutzmechanismen eingeleitet - und die Pflanze kann die Raupen chemisch abwehren.

Dass Pflanzen die Jasmonsäure bilden, ist schon lange bekannt. Wie sie das im Detail tun dagegen noch nicht. "Pflanzen haben die komplexesten Zellen aller Lebewesen", sagt Heilmann. "Neben Zellkern und Mitochondrien verfügen nur Pflanzen auch über Plastiden und in den verschiedenen Kompartimenten laufen zeitgleich sehr unterschiedliche, komplexe Prozesse ab." Die Kompartimente in einer Zelle sind durch Membranen voneinander getrennt, denn sonst könnten sich die darin ablaufenden Prozesse gegenseitig behindern. Trotzdem müssen sie miteinander kommunizieren und die Prozesse aufeinander abgestimmt sein. Die Produktion wichtiger pflanzlicher Inhaltsstoffe findet in der Zelle schrittweise in mehreren Kompartimenten statt. Das kann man sich wie bei einer Fertigungsstraße in einer Fabrik vorstellen, bei dem ein Produkt in mehreren Zwischenschritten gefertigt wird.

"Die Produktion von Jasmonsäure ist ein Paradebeispiel für einen solchen mehrteiligen Prozess", so Heilmann. Wie die Produktion von Jasmonsäure und anderer pflanzlicher Inhaltsstoffe sowie die dafür nötige Arbeitsteilung zwischen den jeweils beteiligten Zellräumen organisiert und kontrolliert werden, untersuchen mehrere der insgesamt elf Teilprojekte des neuen GRK. Andere Arbeitsgruppen konzentrieren sich darauf, wie Enzyme gezielt in bestimmte Reaktionsräume geschickt werden, um dort nötige Reaktionen zu katalysieren. "Die Kompartimente in Pflanzenzellen sind ständig in Bewegung und assoziieren vorübergehend miteinander", sagt Heilmann. Bislang gebe es aber nur wenige systematische Studien und Erklärungen für diese dynamischen Prozesse. Eine Wissenslücke, die durch die Arbeiten im neuen GRK geschlossen werden soll.

Die Arbeiten der Doktorandinnen und Doktoranden kombinieren dabei verschiedene Methoden: von der Beobachtung der Pflanzenzellen mit hochauflösender Fluoreszenzmikroskopie über die Analyse von Proteinverteilungen mittels moderner Massenspektrometrie bis hin zu genetischen und biochemischen Experimenten und Analysen. Das sehr breite methodische Knowhow dafür wird den Promovierenden im Rahmen ihrer Arbeit im GRK vermittelt. "Besonders erfreulich ist, dass unsere internationale Suche nach Bewerbern große Resonanz hatte und wir sieben der insgesamt elf Stellen mit exzellenten Bewerberinnen und Bewerben aus dem Ausland besetzen konnten", sagt Heilmann. Nach dem Abschluss der ersten elf Promotionen werden weitere elf Stellen zur Verfügung stehen.

Die Arbeit des GRK ist zwar zunächst Grundlagenforschung, die aber mögliche Ansatzpunkte für die Anwendung liefern könnte: "Ziel ist ein besseres Verständnis der pflanzlichen Stoffwechsel- und Abwehrprozesse sowie deren genetischer Grundlagen", sagt Heilmann. Die Idee dahinter: Wenn man genau weiß, welche Gene für welche Prozesse verantwortlich sind, lässt sich dieses Wissen auch in der Züchtung anwenden. Ein großes Problem vieler heutiger Nutzpflanzen sei es nämlich, dass sie über Jahrtausende hinweg so gezüchtet wurden, dass sie möglichst große Erträge liefern, sich aber infolgedessen zumindest einige Pflanzen nun weniger gut gegen Einflüsse von außen wehren können. Auch deshalb kämen bei der Landwirtschaft heute viele Pestizide zum Einsatz, so Heilmann. Die universitäre Grundlagenforschung im Rahmen des neuen GRK könne hier neue Ansätze zur Verbesserung liefern.

Am GRK beteiligt sind die Naturwissenschaftlichen Fakultäten I und III der MLU sowie das Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie (IPB) in Halle.

 

Weitere Informationen: https://rtg2498.uni-halle.de/

 

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