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Millionenförderung des BMBF: Physiker entwickeln „Zeitmaschine“ für die Materialforschung

Nummer 123/2019 vom 14. August 2019
Viele Experimente in der Physik sind zeitaufwendig und teuer. Manchmal merkt man aber erst am Ende, dass man eigentlich die falschen Messparameter angesetzt hat. Wie praktisch wäre es dann, eine Zeitmaschine zu haben, mit der man an den Anfang des Experiments springen und die Daten neu auswerten könnte? Genau so eine Maschine wollen Forscher der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU), der Freien Universität Berlin und der Technischen Universität München für eine Großforschungsanlage am Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) für Materialien und Energie entwickeln und die Anlage so verbessern. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Vorhaben mit rund zwei Millionen Euro, davon gehen 1,1 Millionen Euro an die MLU.

"BESSY II" ist eine deutschlandweit einmalige Forschungsanlage am Helmholtz-Zentrum Berlin, mit der sich Röntgenstrahlung erzeugen lässt, deren Energie und Polarisation exakt eingestellt werden kann. Herzstück ist ein Teilchenbeschleuniger, der Elektronen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit bringt. Diese durchlaufen einen Speicherring mit Magneten, wobei Röntgenblitze entstehen. "Man kann sich den Bessy-Speicherring wie eine Kamera mit extrem schnellem Blitzlicht vorstellen. Die Röntgenstrahlung wird gepulst erzeugt, sodass Experimente mit einer sehr hohen Zeitauflösung möglich sind", sagt der Physiker Prof. Dr. Georg Woltersdorf von der MLU, der das Projekt gemeinsam mit Prof. Dr. Wolfgang Kuch von der Freien Universität Berlin und Prof. Dr. Christian Back von der TU München leitet. Aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften ist die Anlage bei Materialforschern auf der ganzen Welt äußerst gefragt.

Jährlich nutzen über 2.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler "BESSY II" für Experimente, die Warteliste zur Benutzung ist lang. Eine weitere Herausforderung ist es, dass die Forschenden im Vorfeld genau festlegen müssen, welche Parameter zu welchen Zeitpunkten gemessen werden sollen. Ein kleiner Fehler in der Fragestellung könnte, so Woltersdorf, aber dazu führen, dass die ganze Messreihe keine oder unzureichende Ergebnisse erzielt.

Hier setzt das neue Projekt an: Eine schnelle Elektronik für die Datenerfassung soll es ermöglichen, das Signal aller entstehenden Röntgenblitze, die während des Experiments anfallen, aufzuzeichnen und auszuwerten. Dabei entstehen einige Terabyte Daten pro Stunde. "Der neu geplante Aufbau kann auf diese Weise viel mehr leisten, als es bisher der Fall war. Die gemessenen Daten werden durch die Elektronik gleich zum korrekten Zeitpunkt einsortiert. Mit den gespeicherten Roh-Daten kann man auch nachträglich zu einem beliebigen Zeitpunkt in den Daten springen und ein neues Zeitraster verwenden", so Woltersdorf weiter. Um diese Elektronik sinnvoll einsetzen zu können, erweitern die Forscher das Experiment an "BESSY" zudem um eine Laseranlage, die die gepulste Anregung der zu untersuchenden Proben erlaubt. Auf diese Weise kann die Dynamik von Materie auf der Pikosekunden-Zeitskala untersucht werden. Eine Pikosekunde entspricht dem billionsten Teil einer Sekunde.

Für die drei Projektpartner ist es nicht die erste gemeinsame Arbeit an "BESSY II": Bereits in vergangenen Jahren haben die Wissenschaftler aus Halle, Berlin und München in enger Zusammenarbeit und mit Unterstützung des HZB das "VEKMAG"-Experiment entwickelt und aufgebaut, einen einzigartigen Messplatz, mit dem Messungen bei hohen Magnetfeldern und tiefen Temperaturen möglich sind. Nun wird dieses weltweit einzigartige Experiment noch um einen Laser zur Anregung und eine leistungsfähige Datenerfassung erweitert. Erforscht werden sollen mit der Anlage zum Beispiel neue magnetische Materialien, die langfristig Anwendung bei der Datenspeicherung finden könnten.

 

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