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Klimawandel: Wälder als Garant für die Artenvielfalt

Nummer 141/2017 vom 27. November 2017
Wälder erfüllen zahlreiche wichtige Funktionen dann besonders gut, wenn sie reich an unterschiedlichen Baumarten sind. Zudem muss man sich bei der Bewirtschaftung des Waldes nicht für ausschließlich eine Leistung – wie Holzproduktion oder Naturschutz – entscheiden: Mehrere Leistungen von Waldökosystemen lassen sich gleichzeitig verbessern. Das ist das Ergebnis zweier Studien, die kürzlich von mitteldeutschen Biodiversitätsforschern in der renommierten Zeitschrift "Ecology Letters" veröffentlicht wurden.

Wälder haben eine große Bedeutung für uns Menschen: Das Holz, das in Wäldern wächst, nutzen wir in unseren Häusern für Möbel, Dachstühle und Fußböden. Wälder speichern Kohlenstoff aus der Luft und wirken somit dem Klimawandel entgegen, sie schützen uns vor Erosion und regulieren den Wasserkreislauf.  Auch wenn wir im Wald spazieren gehen, nutzen wir ihn für unsere Erholung. Die Grundlage für diese Leistungen sind Funktionen, die im Wald ständig ablaufen: Die Bäume betreiben Photosynthese, wachsen, produzieren Nachkommen, verteidigen sich gegen hungrige Insekten und Rehe, wehren Krankheitserreger ab und schützen sich gegen Trockenheit. Nährstoffe werden von den Bäumen aufgenommen und wieder freigesetzt wenn die Bäume sterben und zersetzt werden.

Eine neue Studie unter Federführung der Universität Leipzig und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) zeigt nun: Viele dieser Ökosystemfunktionen laufen besser ab, wenn der Wald nicht nur aus einer einzigen, sondern aus mehreren Baumarten besteht - also eine hohe Biodiversität aufweist. Im Rahmen des europaweiten Forschungsprojektes "FunDivEUROPE" haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Bedeutung der Biodiversität für das Funktionieren von Waldökosystemen in sechs Ländern untersucht: in Deutschland, Finnland, Polen, Rumänien, Italien und Spanien. In Waldgebieten haben sie Versuchsflächen ausgewählt, die sich in der Anzahl ihrer Baumarten unterschieden und zwischen einer und fünf Baumarten aufwiesen. Auf den biodiversen Versuchsflächen in Deutschland wuchsen zum Beispiel Buche, Eiche, Fichte, Birke und Hainbuche. Die Daten dafür lieferten auch Biologen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg: Unter Leitung des halleschen Geobotanikers Prof. Dr. Helge Bruelheide wurden beispielsweise Daten für den Nationalpark Hainich erhoben. "Bisher haben einzelne Studien immer nur eine lokal begrenzte Gültigkeit gehabt. Das Besondere an den beiden neuen Studien ist, dass sie Aussagen für ganz Europa ermöglichen", sagt Bruelheide, der die Studien gemeinsam mit seinem wissenschaftlichen Mitarbeitern Stephan Kambach begleitet hat.

Die Wissenschaftler haben insgesamt 26 Funktionen gemessen, die relevant sind für Nährstoff- und Kohlenstoffkreislauf, das Wachstum und die Widerstandskraft der Bäume sowie die Verjüngung des Waldes. Die Ergebnisse zeigen, dass Bäume in Wäldern mit mehreren Baumarten schneller wachsen, mehr Kohlenstoff speichern und widerstandsfähiger gegenüber Schädlingen und Krankheitserregern sind als Bäume in artenarmen Wäldern. "Wenn man Wald-Monokulturen zu diversen Wäldern umwandelt, sollte diese also auch mehr Ökosystemleistungen und Güter für uns Menschen liefern können", sagt Sophia Ratcliffe, die die Studie an der Universität Leipzig geleitet hat.

Die Forschungsergebnisse weisen zudem darauf hin, dass der positive Zusammenhang zwischen Biodiversität und Funktionalität des Waldes vor allem in solchen Regionen hoch ist, in denen erstens das Wasser für die Bäume knapp ist und zweitens die Vegetationsperiode lange andauert, wie es in Süd- und Zentraleuropa der Fall ist. Warum dies von Bedeutung ist, erklärt Christian Wirth, Leiter der Abteilung Spezielle Botanik und Funktionelle Biodiversität der Universität Leipzig, geschäftsführender Direktor von iDiv sowie Fellow am Max-Planck-Institut für Biogeochemie: "Durch den Klimawandel werden unsere Sommer trockener und länger. Daher gehen wir davon aus, dass es künftig noch wichtiger wird, Wälder so zu bewirtschaften, dass sie eine hohe Diversität an Baumarten aufweisen."

Dass man sich dabei nicht auf eine einzige Ökosystemleistung konzentrieren muss, die man im Wald steigern möchte, wie eine weitere Studie zeigt. Diese wurde in den gleichen sechs Waldgebieten durchgeführt, ebenfalls unter maßgeblicher Beteiligung der Leipziger Forscher. Die Wissenschaftler haben 28 Ökosystem-Funktionen unter die Lupe genommen und sind der Frage nachgegangen: Wenn eine Ökosystem-Funktion im Wald besonders hoch ist, geht dies auf Kosten einer anderen Ökosystem-Funktion? Nein, so die Ergebnisse der Untersuchung: In einem Wald können mehrere Funktionen gleichzeitig hoch sein.

Dies hat praktische Bedeutung für die Waldbewirtschaftung, sagt Fons van der Plas, der Erstautor der Studie: "Die Multifunktionalität von Wäldern, also die gleichzeitige Bereitstellung mehrerer Ökosystemleistungen, ist in der Forstwirtschaft ein häufig verwendetes Schlagwort. Wir konnten nun zeigen, dass Multifunktionalität nicht bloß ein theoretisches Konzept ist, sondern dass es in Wäldern quer durch Europa und für viele verschiedene Funktionen gilt. Viele Nutzungsziele lassen sich gut miteinander in Einklang bringen." Die Studienergebnisse zeigen jedoch auch, dass die Multifunktionalität der Wälder in vielen Fällen verbessert werden könnte - ein großes Potential für die Forstwirtschaft.

Zu den Publikationen:

Ratcliffe, S. et al. (2017): Biodiversity and ecosystem functioning relations in European forests depend on environmental context. Ecology Letters. doi: 10.1111/ele.12849

Van der Plas, F. et al. (2017): Continental mapping of forest ecosystem functions reveals a high but unrealized potential for forest multifunctionality. Ecology Letters. doi: 10.1111/ele.12868

 

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