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Digitale Bilderbücher – besseres Leseerlebnis?
Bilderbücher mit Kindern auf dem Tablet lesen, statt das gedruckte Buch in die Hand zu nehmen? Das mag für manche Eltern pädagogisch weniger wertvoll erscheinen. Doch bisher sind die Vor- und Nachteile von digitalem Lesen mit Kindern noch wenig untersucht. Prof. Dr. Michael Ritter und Dr. Alexandra Ritter vom Institut für Schulpädagogik und Grundschuldidaktik der MLU wollten herausfinden, wie sich die Lesekultur durch die Digitalisierung tatsächlich verändert und welche Auswirkungen das auf die Lektürequalität hat - also beispielsweise wie lange vorgelesen wird und wie aktiv oder passiv die Kinder dabei sind.
"Bilderbücher bilden schon lange aktuelle Medienentwicklungen ab", so Michael Ritter. Beispielsweise würden Bilder mittlerweile in Perspektiven gezeichnet, wie man sie sonst aus dem Fernsehen kennt. Bilderbuchapps sind für ihn daher zunächst eine Weiterentwicklung des Bilderbuchs, wie sie auch vorher stattgefunden hat. Trotzdem stellte er sich die Frage: Was macht das mit dem Vorlesen? Um das zu untersuchen, analysierten er und Alexandra Ritter sogenannte Lesegespräche mit vier Gruppen von Drittklässlern. Bei einem Lesegespräch liest eine Lehrkraft einer kleinen Gruppe von etwa vier bis fünf Kindern ein Buch vor, stellt ihnen dabei Fragen oder gibt Hinweise und kleine Suchaufgaben. "Das ist im Grunde genommen das, was auch beim Vorlesen in Familien passiert", erklärt Michael Ritter. In den vergangenen Jahren seien Bilderbücher als didaktisches Element auch vermehrt in Grundschulen angekommen.
Für die Studie seien zwei Bilderbücher genutzt worden, die sowohl als Buch als auch als App vorliegen. Es gebe daher keine inhaltlichen Unterschiede und die Unterschiede des Mediums könnten gut untersucht werden, erklärt Michael Ritter. Die Gruppen lasen jeweils eines der Bücher als App und eines in gedruckter Form. Dabei wurden verschiedene Daten, wie die Lesedauer, der Gesprächsanteil der Kinder und Erwachsenen, die Interaktion mit dem Medium selbst oder auch die Eigeninitiative der Kinder, erhoben. "Digitalen Medien wird gerne vorgeworfen, sie würden Passivität erzeugen", so der Didaktiker. "Wir haben aber eher das Gegenteil festgestellt." Die Kinder hätten durchschnittlich bei den Bilderbuchapps mehr gesprochen und mehr eigene Aktivitäten initiiert. Die Lehrkräfte hingegen seien mehr in den Hintergrund getreten und hätten stärker beobachtet, was die Kinder machen, und dazu dann Fragen gestellt. "Bei Buchgesprächen - egal ob analog oder digital - gilt genau das als Qualitätsmerkmal", ergänzt Alexandra Ritter.
Das Fazit der Forschenden ist daher, dass die Lektürequalität und -intensität mit Bilderbuchapps sogar höher sein kann als mit gedruckten Büchern. "Interessanterweise haben die Lehrkräfte selbst gar nicht wahrgenommen, wie viel aktiver die Kinder bei den Apps teilgenommen haben", sagt Alexandra Ritter. Die Wahrnehmung werde offenbar stark durch Erwartungen geprägt. Mit der Studie möchte sie einen Ansatz geben, die teilweise vorhandenen Vorurteile gegenüber dem Vorlesen mit digitalen Medien zu reflektieren. Trotz der kleinen Stichprobe sei der Trend klar erkennbar gewesen. "Uns hat selbst überrascht, wie deutlich die Apps bei allen Gruppen für mehr Interaktion und Eigeninitiative der Kinder gesorgt haben", so die Pädagogin.
Die Studie wurde im Rahmen des durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützten Forschungsförderprogramms des Zentrums für multimediales Lehren und Lernen der MLU gefördert.
Über das Buch: Alexandra Ritter & Michael Ritter. Lesepraxen im Medienzeitalter. München 2020. 180 Seiten. 18,80 Euro. ISBN: 978-3-96848-011-4