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Neue Studie zeigt, wie viele Pflanzenarten in Europa gefährdet sind

Nummer 008/2022 vom 11. Februar 2022
Sieben bis neun Prozent aller in Europa vorkommenden Gefäßpflanzenarten sind in ihrem Fortbestand gefährdet. Das ist das Ergebnis einer Studie des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und der Universität Leipzig. Die Forschenden kombinierten hierfür die Angaben zu gefährdeten Pflanzenarten in Europa mit Daten zu ihrer Verbreitung. Die Studie ist in der Fachzeitschrift "Plants, People, Planet" veröffentlicht worden. Sie liefert neue Ansätze dafür, das Gefährdungsrisiko von Pflanzenarten einzuschätzen und unterstützt so zudem internationale Naturschutzaktivitäten.

Wie gefährdet sind Tier- und Pflanzenarten in ihrem Fortbestand? Wie hoch ist das Risiko, dass sie womöglich aussterben? Die Antworten darauf fließen in regionale, nationale und globale Gefährdungsbewertungen ein, sogenannte Rote Listen. Auf der Grundlage dieser Listen entscheiden vor allem Gesetzgeber und Naturschutzorganisationen über konkrete Naturschutzaktivitäten. Problematisch ist jedoch, dass zwar oft nationale Rote Listen vorliegen, diese aber nicht in globale Listen integriert wurden. So fehlt in der globalen Roten Liste der Weltnaturschutzunion (IUCN) für fast 90 Prozent aller bekannten Pflanzenarten eine Gefährdungsbewertung - eine große Datenlücke.

Einen Teil dieser Datenlücke zum Aussterberisiko von Gefäßpflanzenarten haben die Forschenden mit ihrer neuen Studie nun geschlossen. Gefäßpflanzen sind fast alle Pflanzen außer Moose, Algen oder Flechten. Dabei stellte das Team fest: Sieben bis neun Prozent aller in Europa vorkommenden Gefäßpflanzenarten sind in ihrem Fortbestand gefährdet. Grund hierfür ist, dass sie ausschließlich in bestimmten, begrenzten Gebieten in Europa vorkommen und in diesen vollständig gefährdet sind. Betroffen sind etwa 1.800 von den schätzungsweise 20.000 bis 25.000 bekannten europäischen Gefäßpflanzenarten. Von diesen 1800 Arten sind 83 Prozent nicht in der IUCN-Liste aufgeführt. 

Die wichtigsten Wirbeltiergruppen sind in der IUCN-Liste seit Jahrzehnten nahezu vollständig aufgeführt. "Doch für Pflanzen ist das nicht der Fall", sagt Hanna Holz, Studentin der Biologie an der MLU und Erstautorin der Studie. "Solche Datenlücken können fatal sein, denn sie führen zu Unsicherheiten bei der Prioritätensetzung internationaler Naturschutzpolitik", so Holz. "Mit unseren Ergebnissen tragen wir nun dazu bei, das wichtigste Instrument internationaler Naturschutzpolitik in diesem Bereich zu aktualisieren und zu erweitern."

Die Biodiversitätskonvention (CBD) der Vereinten Nationen hatte sich das Ziel gesetzt, bis spätestens 2020 eine umfassende Liste bedrohter Pflanzenarten zu erstellen. Dieses Ziel wurde nicht erreicht. Dr. Ingmar Staude, Seniorautor der Studie, hebt hervor: "Durch eine umfassende Synthese bestehender nationaler Roter Listen mit globalen Verbreitungsdaten können nationale Bemühungen relativ leicht in globale Risikobewertungen von Pflanzen einfließen und diese hoffentlich beschleunigen."

Die Ergebnisse basieren auf einer erstmaligen Zusammenführung von Daten über die globale Verbreitung von Gefäßpflanzenarten und nationalen Roten Listen aus 37 europäischen Ländern aus den Jahren 1999 bis 2020. Die Forschenden stellten fest, dass nationale Rote Listen in der Regel nur die Hälfte aller in einem bestimmten Land vorkommenden Pflanzen abdecken. Die Ergebnisse des Forschungsteams sind daher konservative Schätzungen. 

 

Studie: Holz, H., Segar, J., Valdez. J. & Staude, I. R. Assessing extinction risk across the geographic ranges of plant species in Europe. Plants, People, Planet (2022). DOI: 10.1002/ppp3.10251

 

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