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Studie: Nicht allen Insekten geht es schlecht
Das Insektensterben ist 2017 ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Damals veröffentlichten Forschende eine Abnahme der Fluginsektenbiomasse in westdeutschen Naturschutzgebieten von über 75 Prozent in knapp 30 Jahren. Die Studie ließ viele Menschen erkennen, dass es heute weniger Insekten gibt als früher. Seitdem sind weltweit viele neue Studien erschienen, die oft große Rückgänge zeigen; hunderte Medien haben über das Thema berichtet.
Unter Leitung von iDiv, MLU, der Universität Jena und des UFZ entwickeln Forschende seit 2018 eine neue Datenbank. Sie beinhaltet hunderte internationaler Studien, welche über viele Jahre die Häufigkeit verschiedener Insekten untersucht haben. Geleitet wird das Team von Dr. Roel van Klink, Postdoktorand bei iDiv und der MLU. "Es ist alarmierend, dass ein solcher Rückgang vor unseren Augen passiert und niemand gesehen hat, dass er an ganz vielen Orten gleichzeitig stattfindet", sagt er. "Das zeigt, wie wichtig es ist, unsere Umwelt zu überwachen." Das Monitoring von Insekten ist jedoch schwierig, weil die meisten klein sind und weil es sehr viele verschiedene gibt; allein in Deutschland gibt es 30.000 Insektenarten. Dr. Diana Bowler von iDiv, Uni Jena und UFZ ergänzt: "Die meisten Monitoring-Programme untersuchen nur eine Insektengruppe. Niemand hat untersucht, ob der Zustand der untersuchten Gruppen auch etwas über den Zustand der anderen aussagt."
Für die neue Studie prüften die Forschenden, ob Bestandsveränderungen bei einer Insektengruppe Aussagen über Veränderungen anderer Insektengruppen erlauben. Wenn zum Beispiel Schmetterlinge zurückgehen, bedeutet das, dass auch Käfer, Fliegen und Bienen zurückgehen? Wenn Trends bei einer Artengruppe Rückschlüsse auf andere Gruppen erlauben, würden sie sich als Indikatoren eignen. Der Vorteil wäre, dass man nicht alle Insektengruppen monitoren müsste. Forschende und Entscheidungsträger könnten dann Daten über eine Insektengruppe nutzen, um Schlussfolgerungen und Schutzempfehlungen für andere Insekten abzuleiten.
Allerdings fanden van Klink und sein Team kaum Hinweise auf solche Indikatorarten: Die Bestände verschiedener Artengruppen zeigten oft unterschiedliche Trends. "Am ähnlichsten waren noch die Trends bei Käfern und Schmetterlingen, die oft gleichzeitig zu- oder abnahmen", sagt van Klink. "Aber selbst bei diesen beiden Insektengruppen war die Korrelation gering. Heuschrecken dagegen machten komplett ihr eigenes Ding. Ihre Bestandsveränderungen korrelierten mit keiner anderen Artengruppe."
Insgesamt unterstreichen die Ergebnisse der Studie, was die Forschenden schon seit Jahren sagen. "Insekten sind keine homogene Gruppe, die weltweit einen dramatischen Rückgang verzeichnen, wie uns manche Schlagzeilen glauben machen wollen", sagt Senior-Autor Prof. Dr Jonathan Chase, Professor an der MLU und Forschungsgruppenleiter bei iDiv. "Die Natur ist nicht so einfach, wie wir es gerne hätten", fügt van Klink hinzu. "Zweifellos verändert der Mensch die Natur in beispielloser Weise. Es ist unsere Aufgabe herauszufinden, wie, warum und wo diese Veränderungen stattfinden und welche Insektengruppen davon betroffen sind." Die Studie unterstreiche die Notwendigkeit, Bestandsveränderungen vieler Insektengruppen gleichzeitig zu monitoren und ihre Ursachen besser zu verstehen. "Wir können nicht einfach eine Gruppe von Insekten beobachten und davon ausgehen, dass alle anderen dasselbe tun", sagt Diana Bowler. "Wir müssen uns um die gesamte Vielfalt der Insekten kümmern."
Diese Forschungsarbeit wurde u. a. gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG; FZT-118).
Studie: van Klink, R., Bowler, D. E., Gongalsky, K. B., Chase, J. M. Long-term abundance trends of insect taxa are only weakly correlated. Biology Letters (2022). doi: 10.1098/rsbl.2021.0554