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Studie in „Nature“: Wertvolle Böden weltweit kaum geschützt

Nummer 127/2022 vom 14. Oktober 2022
Orte mit ökologisch besonders wertvollen Böden sind nur unzureichend durch bestehende Schutzgebiete abgedeckt. Das ist die Schlussfolgerung einer Studie, die in der Fachzeitschrift "Nature" erschienen ist. Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) ermittelte hierfür verschiedene sogenannte bodenökologische Werte. Dabei zeigte sich, dass sich diese zwischen verschiedenen Erdteilen stark unterscheiden. Die neue Studie gibt zudem Hinweise darauf, wo Schutzmaßnahmen am nötigsten wären.

Böden sind die Heimat von Milliarden Fadenwürmern, Insekten, Pilzen, Bakterien und vielen anderen Lebewesen. Ohne sie gäbe es kaum Leben auf dem Festland. Ein Großteil aller Lebensmittel hängt direkt oder indirekt von der Bodenfruchtbarkeit ab. Böden sind anfällig für Änderungen des Klimas oder der Landnutzung. Um bodenökologische Werte zu erhalten, braucht es gesicherte Erkenntnisse dazu, wo ihr Schutz am nötigsten ist. Für Pflanzen und Tiere, die über und auf dem Boden leben, wurden bereits vor Jahrzehnten Hotspots der biologischen Vielfalt ermittelt. Für bodenökologische Werte dagegen gab es bisher keine solche Erhebung.

In der Fachzeitschrift "Nature" hat ein internationales Team unter der Leitung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), der Universität Leipzig, der MLU und des Instituto de Recursos Naturales y Agrobiología de Sevilla (IRNAS) die erste globale Schätzung von Hotspots bodenökologischer Werte veröffentlicht. Es untersuchte in Böden weltweit die biologische Vielfalt sowie Indikatoren für Ökosystemdienstleistungen. Dafür führten sie über 10.000 Beobachtungen in 615 Bodenproben aus allen Kontinenten durch. Mit diesen Beobachtungen erfassten sie drei bodenökologische Dimensionen: lokaler Artenreichtum, Einzigartigkeit der Artengemeinschaft und sogenannte Ökosystemleistungen, zum Beispiel Kohlenstoffspeicherung oder Wasserregulierung.

Jede der drei bodenökologischen Dimensionen erreicht ihre höchsten Werte in verschiedenen Erdteilen. So wiesen Böden in gemäßigten Ökosystemen den höchsten lokalen Artenreichtum auf, während in ariden Ökosystemen und in den Tropen die Einzigartigkeit der Artengemeinschaft besonders hoch war. "Wenn man in einem europäischen Boden gräbt, zum Beispiel in einem Wald, findet man viele verschiedene Arten an einem Ort. Wenn man einige Kilometer weiterfährt, findet man ähnliche Arten. Nicht so in den Tropen, wo man ein paar Kilometer entfernt völlig andere Artengemeinschaften finden kann", sagt der Erstautor der Studie Dr. Carlos Guerra. Er begann die Arbeit an dem Projekt bei iDiv und der MLU und arbeitet jetzt bei iDiv und der Universität Leipzig. Anders als die beiden Dimensionen biologischer Vielfalt erreichte die Dimension Ökosystemdienstleistungen ihre höchsten Werte meist in den kälteren Erdteilen.

Die unterschiedliche räumliche Verteilung der drei bodenökologischen Dimensionen macht es schwer, alle drei gleichzeitig zu schützen. "Das ist schwieriger als bei Pflanzen und Säugetieren, wo die verschiedenen Dimensionen meist stärker übereinstimmen", sagt Guerra. "Wenn es um den Schutz der Böden geht, können wir nicht lokal alle bodenökologischen Dimensionen gleichzeitig maximieren. Stattdessen brauchen wir integrierte Ansätze, die das lokale Potenzial hervorheben." Trotz dieser Schwierigkeiten gelang es den Forschenden Hotspots zu identifizieren, die für den Bodennaturschutz höchste Priorität haben sollten. Diese befinden sich hauptsächlich in den Tropen, in Nordamerika, Nordeuropa und in Asien.

Die Forschenden verglichen die ermittelten bodenökologischen Hotspots mit vorhandenen Schutzgebieten. Sie stellten fest, dass die Hälfte der Hotspots derzeit nicht unter Naturschutz steht. "Schutzgebiete wurden vor allem zum Schutz von Pflanzen, Vögeln oder Säugetieren ausgewählt", sagt Dr. Manuel Delgado-Baquerizo vom Instituto de Recursos Naturales y Agrobiología de Sevilla. "Wir müssen die Böden, ihre biologische Vielfalt und ihre Leistungen in unsere Betrachtung einbeziehen. Deshalb müssen Regierungen und Entscheidungsträger den Schutz der Böden im Rahmen der internationalen Verhandlungen über die Biodiversitätsziele für 2030 als Priorität festlegen." Die neue Studie könne hierbei helfen, da sie zeigt, wo der Bodennaturschutz am dringendsten ist.

Diese Forschungsarbeit wurde u. a. gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG; FZT-118).

 

Studie: Guerra C.A. et al. Global hotspots for soil nature conservation. Nature (2022). doi: 10.1038/s41586-022-05292-x

 

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