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Wie verändert sich die biologische Vielfalt weltweit? Genaue Trends zu erkennen ist derzeit kaum möglich
Der weltweite Verlust der biologischen Vielfalt gilt als eine der dringendsten Herausforderungen für kommende Generationen. Auf der Weltbiodiversitätskonferenz COP15 im Dezember letzten Jahres haben die Mitgliedsstaaten des UN-Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) neue Ziele und Regeln verabschiedet, um diesen Rückgang zu bremsen und umzukehren. Um die Erfolge dieses neuen Abkommens messen zu können, bedarf es eines verbesserten Monitorings der biologischen Vielfalt, das die globalen Trends erfassen und bewerten soll.
Es gibt zwar viele verschiedene Kenngrößen, um die biologische Vielfalt zu messen. Die gängigste ist jedoch der Artenreichtum auf lokaler Ebene. Doch während der Verlust von Arten auf globaler Ebene alarmierende Ausmaße annimmt, entspricht dies nicht immer dem, was auf lokaler Ebene geschieht.
"In der wissenschaftlichen Gemeinschaft wurde heftig darüber diskutiert, warum die großen globalen Gesamtstudien bisher keine negativen Trends beim lokalen Artenreichtum festgestellt haben", erklärt Prof. Henrique Pereira, Leiter der Forschungsgruppe Biodiversität und Naturschutz am iDiv und an der MLU und Letztautor der Studie. "Wir zeigen, dass der Rückgang der lokalen Artenvielfalt wahrscheinlich viel geringer ist als von vielen angenommen und dass unter diesen Bedingungen selbst geringe räumliche Abweichungen und Fehler beim Monitoring dazu führen, dass globale Trends nicht erkannt werden."
Um ein globales Bild von den Vorgängen auf lokaler Ebene zu erhalten, müssen alle verfügbaren lokalen Beobachtungsdaten zusammengetragen und über die Zeit hinweg ausgewertet werden. "Das Problem mit den Daten ist, dass diese von ganz verschiedenen Personen und Organisationen unter völlig unterschiedlichen Bedingungen und meist nicht nach standardisierten Regeln erfasst wurden und werden", sagt Erstautor Dr. Jose Valdez, Postdoktorand am iDiv und an der MLU. "Führt man sie dann zusammen, addieren sich die Fehler und Abweichungen und machen das Ergebnis sehr ungenau."
Die Forscher beschreiben in ihrer Publikation, wie zahlreiche Faktoren, etwa die Zeitabstände zwischen den Probenahmen, die Größe der Probeflächen oder kleine Fehler bei der Zählung der Arten an einem Standort, die Monitoringresultate beeinflussen. Ein weiteres Problem ist die räumliche Unausgewogenheit der Monitoringdaten. So werden die meisten Daten in Europa und den Vereinigten Staaten erhoben, und dort vorwiegend in Lebensräumen wie gemäßigten Laub- und Mischwäldern. Tropische Regionen und Lebensräume, die die höchste Artenvielfalt und größten Verluste verzeichnen, sind in den Datenbanken völlig unterrepräsentiert.
Um herauszufinden, ob und wie diese Ungenauigkeiten kompensiert werden können, simulierten die Forschenden in Modellen Tausende von Monitoringnetzwerke, die in den oben genannten Faktoren variierten. Die Grundlage dafür bildete ein Modell mit Daten aus der PREDICTS-Datenbank, die Daten aus über 32.000 Standorten und über 51.000 Arten vereint und die voraussichtliche Entwicklung der Populationen bei der jeweils lokal vorherrschenden Landnutzung über Jahrzehnte berechnet.
Die Forschenden konnten zeigen, dass es theoretisch möglich wäre, globale Veränderungen der biologischen Vielfalt innerhalb eines Jahrzehnts zu indentifizieren, wenn man Hunderte von Standorten perfekt beprobte, oder sogar innerhalb von drei Jahren bei Tausenden von Standorten.
In der Realität gibt es jedoch keine perfekten Probenahmen. Studien zeigen, dass lokale Monitoringdaten in der Regel zu 10 % bis 30 % fehlerhaft sind, meist aufgrund fehlender oder falsch identifizierter Arten. So stellte sich auch heraus, dass sich die Möglichkeit, globale Veränderungen erkennen zu können, schon drastisch verringerte, wenn man nur sehr kleine Messfehler von bis zu 5 % hinzufügte. Bei realistischeren Fehlerquoten und weiteren Ungenauigkeitsfaktoren dürfte die Feststellung des durchschnittlichen globalen Trends schlicht unmöglich sein.
"Unsere Ergebnisse zeigen, dass präzise globale Aussagen zu Trends der lokalen Artenvielfalt die perfekte Beprobung einer unvorstellbar großen Anzahl von Probeorten erfordern würde", fügt Valdez hinzu. "Es stellt sich jedoch die Frage, ob dies für einen wirksamen und zeitnahen Schutz der biologischen Vielfalt überhaupt nützlich oder sinnvoll wäre. Naturschutzstrategien und -maßnahmen werden nicht auf globaler Ebene, sondern auf lokaler und nationaler Ebene koordiniert und umgesetzt. Die Messung von Trends bei der biologischen Vielfalt auf diesen kleineren Skalen ist nicht nur praktischer, sondern hilft auch dabei, die Ursachen für den Verlust der biologischen Vielfalt zu verstehen und die Fortschritte der Erhaltungsmaßnahmen zu bewerten."
"Biodiversitätsmonitorings sollten deutlich ausgeweitet und mit Modellen ergänzt werden, um Datenlücken zu schließen", sagt Henrique Pereira. Die Autorinnen und Autoren raten dazu, ein repräsentatives Netz von Probenahmestellen in der ganzen Welt zu etablieren, das unabhängige, integrierte und regelmäßig aktualisierte Daten zur biologischen Vielfalt liefert. Ein solcher Ansatz wird derzeit für die Europäische Union im Rahmen des Projekts EuropaBON entwickelt.
Diese Forschung wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG; FZT-118) und dem Horizon 2020 Forschungs- und Innovationsprogramm der Europäischen Union, dem EuropaBON-Projekt, gefördert.
Sebastian Tilch
Originalveröffentlichung:
Valdez, J., Callaghan, C.T., Junker, J., Andy Purvis, Samantha L.L. Hill, Pereira, H. M. (2022): The undetectability of global biodiversity trends using local species richness. Ecography, DOI: 10.1111/ecog.06604