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Neues Verbundprojekt erschließt die Pflanzensammlungen der Herrnhuter Brüdergemeine im Herbarium der TU Dresden
Die Herrnhuter Brüdergemeine, gegründet in der sächsischen Stadt Herrnhut in der Oberlausitz, ist eine globale missionarische Bewegung, welche durch ihre weltweite Ausbreitung die enge Verbindung von christlicher Mission und Kolonialismus verdeutlicht. Im 18. Jahrhundert waren ihre Mitglieder auch botanisch aktiv und hinterließen Florenwerke und Herbarbelege mit großer Bedeutung für die heutige Botanik. Die älteste Naturaliensammlung der Herrnhuter Brüdergemeine entstand ab 1750 in Barby, einer Kleinstadt in Sachsen-Anhalt. Davon zeugt bis heute das Herbarium Barbiense mit 1.260 Pflanzenbelegen, aufbewahrt im Herbarium Dresdense. Die Pflanzenbelege wurden unter anderem mit Carl von Linné bearbeitet und verdeutlichen zusammen mit Dubletten in anderen Herbarien die enge Vernetzung der Herrnhuter Naturkundler*innen mit bedeutenden Gelehrten ihrer Zeit. Aus dem 19. Jahrhundert befinden sich weitere ca. 5.000 Belege mit Bezug zur Herrnhuter Brüdergemeine in Dresden.
In dem aktuellen Verbundprojekt "Naturforschung und protestantische Mission" möchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Professur für Botanik an der TU Dresden in Zusammenarbeit mit dem Interdisziplinären Zentrum für Pietismusforschung der MLU diese Belege identifizieren und digital erschließen. Die digitale Darstellung des botanischen Netzwerkes mit Methoden der Digital Humanities sowie die Erstellung eines erweiterbaren digitalen Lexikons aller naturkundlich aktiven Personen der Herrnhuter Brüdergemeine sollen auch anderen naturwissenschaftlichen Sammlungen als Grundlage für die Kontextualisierung ihrer Bestände dienen.
"Dabei wird auch deutlich werden, welchen bedeutenden Einfluss religiöse Gemeinschaften und christliche Missionsaktivitäten durch ihre umfangreichen Materialsammlungen für die Etablierung der modernen Naturwissenschaften hatten. Hier eröffnet sich eine Perspektive auf eine bisher völlig vernachlässigte Personengruppe, nicht nur auf die wenigen schon jetzt berühmten Botaniker, sondern auf die einfachen Handwerker und Missionare in den teilweise sehr entlegenen Missionsstationen sowie deren Ehefrauen, indigene Helfer und Helferinnen sowie Schüler an den auswärtigen Missionsschulen oder den Gymnasien der Herrnhuter Brüdergemeine", erläutert Dr. Thomas Ruhland, Teilprojektleiter am Interdisziplinären Zentrum für Pietismusforschung der MLU, die Bedeutung des Forschungsvorhabens.
Durch die Erschließung und die umfangreiche botanische und kulturwissenschaftliche Analyse der Herbarbelege verdeutlicht das Verbundvorhaben das große Potenzial universitärer Sammlungen. Es demonstriert, wie Digitalisierung und Netzwerkanalyse unterschiedliche Perspektiven und Blickwinkel auf ein und dieselbe Sammlung ermöglichen und dadurch grundlegende Forschungsfragen der Naturwissenschaften, speziell der Botanik sowie der Religions-, Kultur- und Geschichtswissenschaften im interdisziplinären Kontext von Biodiversität, Wissensgeschichte und globaler Netzwerkbildung konstruktiv zusammenbringen und beantworten können.
Dr. Sarah Wagner, Teilprojektleiterin an der TU Dresden, erhofft sich durch das Projekt insbesondere auch mehr Sichtbarkeit und Wertschätzung für das Herbarium Dresdense: "Das Verbundprojekt offenbart den Wert unseres Herbariums als wissenschaftliche Universitätssammlung und ermöglicht erstmals detaillierte Einblicke in bisher kaum erschlossene Sammlungsteile. Dokumentiert und archiviert sind neben der sächsischen Pflanzenvielfalt der vergangenen 250 Jahre auch die botanischen Leistungen vieler Forscher*innengenerationen. Die im Projekt erarbeiteten Methoden und Techniken zu Sammlungserhaltung und Sammlungsmanagement sind für den Fortbestand des Herbarium Dresdense dringend erforderlich und sollen nach Projektende auf die gesamte Sammlung übertragen werden."
Unterstützt werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Halle und Dresden durch die Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek (SLUB) und das Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz, sowie durch das Moravian Knowledge Network (MKN), das sich in den vergangenen Jahren etabliert hat. Wertvolle Vorarbeiten für das nun bewilligte Projekt konnten dank der Unterstützung der Gesellschaft der Freunde und Förderer der TU Dresden (GFF) erzielt werden.
Das Projekt "Naturforschung und protestantische Mission" ist eine von sechs geförderten interdisziplinären Forschungskooperationen im Rahmen der BMBF-Förderrichtlinie: Vernetzen - Erschließen - Forschen. Allianz für Hochschulsammlungen II. Außerdem unterstützt ein durch das BMBF gefördertes Begleitvorhaben, welches bei der Koordinierungsstelle für wissenschaftliche Universitätssammlungen angesiedelt ist, das Verbundprojekt bei der Realisierung der Projektziele.
Weitere Informationen unter: https://tu-dresden.de/mn/biologie/botanik/forschung/herrnhut