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Fotosynthese: Fichten setzen auf Algenproteine

Nummer 109/2023 vom 14. September 2023
Die Gemeine Fichte nutzt andere Proteine als die meisten Landpflanzen, um Energie aus Sonnenlicht zu gewinnen. Der Baum greift dabei auf Proteine zurück, die sonst vor allem in Grünalgen zu finden sind. Das schreibt ein Team der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und der Palacký-Universität in der Tschechischen Republik im Fachjournal "Nature Plants". Diese ungewöhnliche Proteinwahl könnte Fichten dabei helfen, besser als andere Landpflanzen mit überschüssigem Licht umzugehen.

Am Tag betreiben Pflanzen Fotosynthese und gewinnen so Energie aus dem Sonnenlicht. An diesem Prozess sind zahlreiche Proteine beteiligt, die wie Zahnräder in einem komplexen Uhrwerk ineinander greifen. "Die Fotosynthese ist die Lebensgrundlage für nahezu alle Pflanzen, selbst vor Millionen von Jahren hat sie schon in den allerersten Pflanzen stattgefunden", sagt Jun.-Prof. Dr. Panagiotis Kastritis von der MLU. Da alle heutigen Landpflanzen einen gemeinsamen Vorgänger haben, gehe man eigentlich davon aus, dass die Fotosynthese unabhängig von der jeweiligen Art auf nahezu identische Art und Weise abläuft und deshalb auch dieselben Proteine beteiligt sind. 

Für die Gemeine Fichte (Picea abies) scheint das aber nicht zu gelten. Die Wissenschaftler aus Deutschland und Tschechien untersuchten mit Hilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie die Struktur des sogenannten "Photosystem II"-Proteinkomplexes in der Gemeinen Fichte  und entdeckten dabei überraschende Details: Ein zentraler Baustein dieses Komplexes ist das Lichtsammelprotein Lhcb8. In den meisten Landpflanzen ist dagegen das verwandte Protein Lhcb4 zu finden. Nur unter bestimmten Bedingungen bilden Landpflanzen stattdessen Lhcb8.

"Dass das Lhcb8-Protein konstant in der Struktur des Photosystems II zu finden ist, kennen wir vor allem von evolutionär älteren photosynthetischen Organismen, zum Beispiel von Grünalgen", sagt Dr. Roman Kou?il von der Palacký-Universität. Warum die Gemeine Fichte stattdessen auf das andere Protein setzt, sei noch unklar. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass es den Pflanzen dabei hilft, sich vor zu viel Sonnenlicht zu schützen: Bei zu viel Licht entstehen in Pflanzen bestimmte Sauerstoffverbindungen, die ihre Zellmembran oder ihr Erbgut schädigen können. So genannte Antioxidantien können dabei helfen, die freien Sauerstoffverbindungen unschädlich zu machen. Und tatsächlich fand das Team verschiedene Formen von Vitamin E - einer wichtigen Antioxdanzie in Pflanzen - in dem Proteinkomplex der Fichten. In anderen Landpflanzen ist das nicht der Fall. "Ob Vitamin E wirklich eine wichtige Rolle beim Schutz des Photosystem II-Komplexes spielt, können wir anhand unserer Daten jedoch noch nicht sagen. Dazu gibt es noch zu wenige Erkenntnisse", so Kastritis. Unklar sei auch, wie es dazu gekommen ist, dass Fichten anders als die meisten Pflanzen standardmäßig das Lhcb8-Protein bilden. Dies müsse in Folgestudien näher untersucht werden.

Neben Wissenschaftlern der UP und der MLU waren auch Experten des Zentrums für biotechnologische und landwirtschaftliche Forschung der Region Haná, des Instituts für experimentelle Botanik der Tschechischen Akademie der Wissenschaften in Olomouc und der Masaryk-Universität in Brünn an der Forschung beteiligt.

Die Arbeit wurde von der Förderagentur der Tschechischen Republik, dem tschechischen Ministerium für Landwirtschaft, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie aus Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung und im Rahmen des Programms "Horizon Europe" gefördert. 

Studie: Opatíková M. et al. Cryo-EM structure of a plant photosystem II supercomplex with light-harvesting protein Lhcb8 and α-tocopherol. Nature Plants (2023). doi: 10.1038/s41477-023-01483-0 

 

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